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Das Alter auf dem «Wie geht es dir?»-Bänkli

28. Februar 2024
Nach der Studie «Altersarmut in der Schweiz» leidet ein Fünftel der über 65-Jährigen in Nidwalden unter Altersarmut. Diese zeigt sich allerdings nicht nur im Mangel an finanziellen Mitteln, sondern auch durch fehlende soziale Kontakte. Die Stanser Alterspolitik sucht beidem beizukommen.
Knapp bei Kasse? – Ein im Alter gar nicht so seltenes Phänomen! (Bild: Peter Steiner)

Von Peter Steiner

Pensionsalter, AHV-Rente, Umwandlungssatz: Stichworte, welche die politischen Diskussionen seit Längerem heftig befeuern. Allerhand Vorschläge liegen auf dem Tisch und werden zuweilen abgehandelt, als wären es allein finanzstatistische Themen. Doch dabei
geht es zuerst um … Menschen.

Weniger als 2279 Franken monatlich
Wer ist «reich»? Und wer ist «arm»? Natürlich: Eine Person kann unter Umständen wenig besitzen und trotzdem glücklicher sein als der Millionär in der Villa nebenan. «Armut» bedarf deshalb der Objektivierung. Die breit angelegte Studie «Altersarmut in der Schweiz 2022»
von Pro Senectute definiert sie als das Vorhandensein eines «Haushaltsäquivalenzeinkommens, welches unterhalb der Armutsgrenze liegt». In der Praxis heisst dies: Die Person muss mit einem Einkommen von weniger als 2279 Franken pro Monat auskommen. Der Pro-Senectute-Altersmonitor weist für den Kanton Nidwalden einen überdurchschnittlich hohen Anteil an betagten armen Leuten aus. Die Gemeinde Stans verfügt zwar über keine ortsbezogene Datenerhebung, doch ist zweifelsfrei: Alte Menschen mit sehr
bescheidenen finanziellen Mitteln leben auch hier unter uns – oft unerkannt und im Verborgenen.

«EL» federt die Not ab
Altersarmut sollte es nach der Theorie der sozialen Absicherung eigentlich nicht geben. Denn wenn die AHV-Rente und der Rückgriff auf eventuelles Vermögen die minimalen Lebenskosten nicht deckt, besteht ein rechtlicher Anspruch auf eine Ergänzungsleistung (EL). Der Anspruch muss bei der kantonalen Ausgleichskasse an der Stansstaderstrasse 88 (www.aknw.ch) geltend gemacht werden. Dort (oder über die Website) kann auch das amtliche Formular für die Anmeldung bezogen werden. Da dessen Ausfüllung recht anspruchsvoll ist, leistet die Sozialberatung von Pro Senectute kostenlos Unterstützung
(Büro an der Nägeligasse 25, Tel. 041 610 76 09, info@nw.prosenectute.ch). Ganz allgemein rät Bernadette Würsch, bei der Gemeindeverwaltung zuständig für den Bereich Soziales: «Wenn jemand im Alter finanzielle Probleme hat, ist es sehr wichtig, sich beraten zu lassen und Unterstützung zu holen.»

Subsidiär hilft die Gemeinde
Zur Finanzierung des Alters gehört bis zu einem gewissen Grad auch der «Vermögensverzehr», was bedeutet: Es wird auch angespartes Kapital für die Bestreitung
der alltäglichen Lebenskosten eingesetzt. Verständlicherweise verweigert die AHV-Ausgleichskasse EL-Beiträge dann, wenn sich ein Gesuchsteller freiwillig (und vielleicht gar absichtlich) von Vermögen getrennt hat. «Haben Sie jemals Vermögen oder einzelne Vermögenswerte an Verwandte oder Dritte verschenkt?» oder: «Haben Sie jemals Erbvorbezüge gewährt oder vereinbart?», lauten die entsprechenden Fragen im Gesuchsformular, deren Beantwortung dann «vollständig und wahr» sein muss. Und die Amtsstelle macht klar: Wer da schummelt, macht sich strafbar! Dennoch gibt es Situationen, in welchen das AHV- / EL-Sicherungsnetz den Armutsfall nicht gänzlich zu verhindern vermag. In solchen Fällen kommt die wirtschaftliche Sozialhilfe der Gemeinde zum Zug. Akut kann sich das Hilfebedürfnis bei einem Heimeintritt manifestieren. Die geforderte Depotleistung ist vielfach beträchtlich und deswegen für Personen mit bescheidenem Einkommen und geringem Vermögen schwierig beizubringen. «Um die Tür zum Heim zu öffnen, kann die Gemeinde eine subsidiäre Kostengutsprache an die Pflegeinstitution leisten für den Fall, dass nach einem Austritt oder Todesfall für die Pflegeinstitution ein Verlustschein resultiert», erklärt Bernadette Würsch.

Das zweite Gesicht der Armut
Armut zeigt sich indes nicht nur im Mangel an Geld, sondern vielfach auch im Fehlen von sozialen Kontakten. Mit dem Älterwerden verändert sich die körperliche Leistungsfähigkeit. Es ist ein sukzessives Abschiednehmen von Gewohnheiten und Selbstverständlichkeiten in fast jeder Hinsicht. Das Ausscheiden aus dem Beruf, auch aus gesellschaftlichen und sportlichen Aktivitäten verengt den Umgang mit Menschen. Dazu kommt, dass naturgemäss links und rechts liebe Mitmenschen erkranken und sterben – es droht die Vereinsamung. Betroffen
davon können auch gut situierte alte Menschen sein, doch tritt sie laut der Studie der Pro Senectute bei finanziell schlecht gestellten deutlich öfter auf. Es ist klar: Wer den Franken dreimal drehen muss, bevor er / sie ihn ausgibt, kann sich den Hock am Stammtisch kaum täglich und den Konzertbesuch am Wochenende überhaupt nicht leisten.

Probleme erkannt
Angeregt vom Projekt «Demochange» der Hochschule Luzern beschäftigt sich auch die Gemeinde Stans schon seit 2010 intensiv mit Altersfragen. Eine Projektgruppe entwarf eine «Bedarfsplanung Alter» mit dem Zeithorizont 2030. Neben Vorstellungen über die Existenzsicherung, Wohnformen, Verkehrs- und Versorgungssicherheit (Spitex, Hausärzte etc.) findet sich in dem 2015 präsentierten Papier auch der Satz: «Zur Erhaltung der physischen und psychischen Gesundheit muss auf die soziale Vernetzung der alleine lebenden Personen geachtet werden.» Erkannt wurde, dass ältere Personen «auf Grund ihrer gesunkenen Mobilität und Selbstständigkeit von der Gesellschaft vergessen werden und dadurch vereinsamen». Die Projektgruppe ist mittlerweile zur ständigen Alterskommission erhoben worden mit dem Auftrag, die im Altersleitbild skizzierten Vorschläge so zu konkretisieren, dass sie in den Alltag umgesetzt werden können. Gegenwärtig ist eine zweite, gross angelegte Umfrage über die Befindlichkeit und die Wünsche der älteren Generation in Auswertung. Denn Stans will erklärtermassen eine generationenfreundliche Gemeinde sein, die eine «grosse Selbständigkeit und aktive Teilnahme am sozialen Leben bis ins hohe Alter»
unterstützt. Raus aus dem Schneckenhaus! Selbstverständlich muss die Alterskommission mit ihrer Arbeit nicht bei null beginnen. Namentlich im Bereich Unterstützung offeriert die professionell geführte Stiftung Pro Senectute einen reichen Fächer dienlicher Angebote – bis hin zur Vermittlung von Kontakten. Mit dem Besuch von Bildungsangeboten, dem Mitgehen bei Seniorenwanderungen oder mit dem Beitritt zu den «PSSingers» (und vielem Ähnlichem) sind Begegnungen mit andern ganz natürlich verbunden. Aber auch ohne «Patronat» ergeben sich viele Möglichkeiten, mit andern in Kontakt zu kommen – vorausgesetzt, man / frau wagt sich aus dem Haus. Die Chöre in Stans freuen sich über jeden Interessenten, die Veranstalter von kulturellen Anlässen (Theater an der Mürg, Chäslager, Literaturhaus, Museum etc.) über jede Besucherin. Wetten, dass sich Gleichgesinnte finden lassen, die zu Freunden werden können?