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Mit einem «Richtfest» ins 200. Vereinsjahr

29. Dezember 2023
1824 wurde die Theatergesellschaft Stans gegründet. Aus bescheidenen Anfängen heraus hat sich über zwei Jahrhunderte ein starker Verein gebildet, der über ein eigenes Theatergebäude verfügt und Jahr für Jahr Laientheater vom Besten auf die Bühne bringt. Dazu ein herzliches Bravissimo!
Theater
Seit Jahrzehnten macht «Stans» anspruchsvolles Laientheater, im Bild Roli Simitz (links) und Ruedi Odermatt 1994 in «Volpone». (Bild: Archiv TGS)

Von Peter Steiner

Für den Vorstand der Theatergesellschaft ist klar: 2024 muss zum Festjahr werden! Und der  Anlass dazu ist einleuchtend: Zwei Jahrhunderte Geschichte, denn für den 21. Dezember  1824 kann die Gründung der Gesellschaft nachgewiesen werden. Nicht, dass damals erst das Theaterspiel in Nidwalden «erfunden» worden wäre, aber mit der «TGS» ändern sich die Spielinhalte von religiös-belehrend zu durchaus auch fröhlich unterhaltend. Und «Vereinsleben» wird, damals neu, zur Abwechslung im harten Alltagsleben – ein Aufbruch also, angetrieben hauptsächlich vom rührigen Deschwanden-Clan um Louis, Melchior,
Johann Baptist und Paul.

Den Helden eine Bühne
Überblickt man die Stückliste der ersten Jahrzehnte der Gründungszeit, so steht die Pflege patriotischer Gefühle betont im Vordergrund. «Die Schlacht bei St. Jakob», «Vier Schiltwachen auf einem Posten», «Die alliierten Truppen» sind Titel aus den frühen Jahren, später folgten «Der Tag zu Stans», «1798, die letzten Helden der alten Schweizergeschichte»
und «Arnold von Winkelried». Sehr beliebt waren Vorlagen des Deutschen August von Kotzebue (1761–1819), später auch solche des Österreichers Johann Nepomuk Nestroy (1801–1862) und des Obwaldner Geistlichen Josef Ignaz von Ah (1834–1896). Früh kommen aber auch Autoren wie Molière und Schiller zum Zug. Und die Theaterleute ernteten dafür Lob: «Wenn der Zuschauer sechs lange Akte hindurch mit gespanntem Schweigen zuzuhören vermag, so ist es nicht der geschichtliche Verlauf allein, der die Aufmerksamkeit auf die Bretter fesselt, nein es ist des Spielers Vortrag und seine Persönlichkeit, die der allgemeinen
Stille gebietet, und so war es auch hier», bemerkte das Nidwaldner Wochenblatt im September 1851 zu Schillers «Jungfrau von Orléans».

Vom Salzmagazin an die Mürg
Die Bühne für ihr kreatives Schaffen fand die Gesellschaft anfänglich in einem ausgedienten Lagerraum des Salzmagazins (heute Nidwaldner Museum bei der Stanserhorn-Bahn). Eine Baisse nach 1868 führte zur Umnutzung des Lokals zu einem «Antiquarium» des Historischen
Vereins. Der heimatlos gewordenen Theatergesellschaft eröffnete sich 1874 wieder eine Perspektive, indem Alois Vokinger seiner Gastwirtschaft «Posthorn» an der Mürg einen grösseren Saal beistellte. Gleich sieben Stücke brachte die frisch beseelte Gesellschaft
in diesem Jahr auf die Posthorn-Bühne und startete damit «eine neue Aera edlen Kunstgenusses in unserer kleinen Residenz». Und wenige Jahre später hiess es in der Presse enthusiastisch: «Die Aufführung von ‹1798› am letzten Sonntag verzeichnet den grössten Erfolg, den unser Theater [je] gesehen.» Zuschauer wurden gar mit einem Extraschiff von Luzern her nach Nidwalden gebracht.

Turbulenzen um das Theatergebäude
Das Theatergebäude an der Mürg samt dem grossen Wohnhaus steht heute im Eigentum der Theatergesellschaft. Bis dies definitiv war, ging’s fast theatralisch drunter und drüber. Auf Initiative des Vereins und auf dessen Kosten wurde ab 1876 dem kleinen «Posthorn-
Theäterli» ein weitaus grösseres und kommoderes Theatergebäude zugesellt, rechtlich kompliziert verquickt mit Vokingers Besitz. Nach seinem Tod 1878 sah sich das Posthorn unter der Herrschaft einer «Posthorngesellschaft», bevor Gasthaus und Theater 1886 in
den Besitz von Obergerichtspräsident Konstantin Odermatt, Landammann Robert Durrer und Regierungsrat Alois Flüeler übergingen. «Die jetzigen drei Eigentümer, ursprüngliche Mitglieder und Leiter der Baugesellschaft des Theaters, bürgen uns dafür, dass die bisherigen, vielfach unklaren Besitzverhältnisse zwischen Posthorn- und Theater-Gesellschaft in allseitigem Interesse endgültig geordnet und die grossen Opfer, welche Bürgerschaft und Freunde des Theaters in Stans gebracht, vollständig gesichert werden», gab sich das Nidwaldner Volksblatt damals zuversichtlich. Ein erster Versuch der Übernahme scheiterte
offenbar, denn 1887 firmiert Fotograf Louis Zumbühl als alleiniger Eigentümer der «Liegenschaft und Theaterwirtschaft zum ‹Posthorn› ». Das Objekt kam 1897 zur Zwangsversteigerung, und das war nun die Gelegenheit für den Verein, dieses zu übernehmen. «Damit ist der Bürgerschaft von Stans das Theater als Gesellschafts- und Versammlungshaus bleibend gesichert», prognostizierte wiederum die Lokalzeitung. 1906 wurde das Theater erstmals «hübsch renoviert», weitere Um- und Ausbauten folgten 1911, 1959 / 60, 1963, 1975, 1998, 2007 und 2018 und forderten dem Verein jeweils viel
an Kraft ab. Doch das Ergebnis ist überzeugend: Dem Verein steht ein eigenes, funktionales und technisch gut gerüstetes Haus zur Verfügung, das er regelmässig auch andern Kulturveranstaltern offenhält.

Von den Operetten zum Sprechtheater
Abgesehen von Kriegs- und Krisenjahren 1915 – 1919 und 1940 – 1944 bespielte die  Gesellschaft die Bühne im 20. Jahrhundert regelmässig in der Vorfasnachtszeit. Legendär sind die Operetten in den 1950er- und 60er-Jahren, bevor sich eine jüngere Generation ab 1970 auch dem anspruchsvollen Sprechtheater zuwandte und Stücke zeitgenössischer Autoren wie Wilder, Steinbeck, Brecht, Dürrenmatt und Frisch auf die Bühne brachte.
Die Gesellschaft erwarb sich damit sukzessive den Ruf einer hervorragenden Bühne, welche die Professionalität der Regie, des Bühnenbildes und der Ausstattung ausgezeichnet in Verbindung mit dem Enthusiasmus von «angefressenen» Laien-Darstellern bringen will und
dies auch kann. 5000 bis 6000 Besucherinnen und Besucher sind jährlich bester Lohn für den jeweils überaus grossen Aufwand. Bravissimo eben!

«Richtfest» als Jubiläumsspiel
Während des ganzen Jahres 2024 werden gestalterische Interventionen am Haus das Jubiläum sichtbar machen. Der alljährlich legendäre Theaterabend wird im Juni zur «Jubiläumsgala», ab Ende März beleuchtet eine Sonderausstellung im Salzmagazin des Nidwaldner Museums die Laientheater-Szene der Zentralschweiz (klar: in spezieller Berücksichtigung der TGS), im November kommt die «Brattig» mit einer Sonderbeilage und für Ende November / Anfang Dezember ist eine szenische Revue der Highlights der letzten 200 Jahre in Vorbereitung. Bei allem aber steht nach wie vor das Theaterspiel im Vordergrund: Auf den kommenden 20. Januar ist die Premiere des Stückes «Richtfest» von Lutz Hübner und Sarah Nemitz angekündigt. Ganz unterschiedliche Menschen finden sich unter der Regie von Ueli Blum zum gemeinsamen Bau eines Hauses zusammen – wetten, dass dies ähnlich turbulent wird wie seinerzeit der Bau des
Theaters? Angesichts der andauernd überzeugenden Leistung aller Engagierten seit 200 Jahren ist der Besuch des Jubiläumsspiels nichts anderes als … Ehrensache!

Spieldaten 20. Jan. bis 23. März, Tickets via theaterstans.ch